Persönliche Assistenz
für ein Selbstbestimmtes Leben mit Behinderung
Das Berliner Modell der Persönlichen Assistenz zählt zu den vielfältigen Pflegeleistungen für Menschen mit Behinderung in Deutschland. Als Alternative zu herkömmlichen Betreuungsformen, wie vollstationären Pflegeheimen, rücken hier die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der AssistenznehmerInnen in den Vordergrund.
Die Unabhängigkeit behinderter Menschen und deren gleichberechtigte Teilhabe am Leben bilden den Grundgedanken der Persönlichen Assistenz. Während verordnete Unterstützung durch Dritte der Selbstbestimmung Grenzen setzt, gestalten AssistenznehmerInnen die benötigte Unterstützung nach ihren eigenen Vorstellungen. Auf diese Weise nehmen sie die ausführende Rolle bei der eigenen Fürsorge ein.
Mit seinen vielschichtigen Facetten kann das Themengebiet auf den ersten Blick durchaus komplex wirken. Deshalb haben wir die wichtigsten Informationen zur Persönlichen Assistenz auf dieser Seite für Sie gebündelt:
Mit dem Berliner Modell der Persönlichen Assistenz eröffnet sich für behinderte Menschen eine flexible Unterstützungsart, bei der sie das Ruder selbst in die Hand nehmen. Anders als bei der verordneten Pflege, regeln AssistenznehmerInnen ihre Hilfe von A bis Z selbstständig.
Hierbei bildet das Arbeitgebermodell die Grundlage der Persönlichen Assistenz. Behinderte Menschen treten in die Rolle des autonomen Arbeitgebers. Sie suchen eigenständig nach AssistentInnen, weisen sie in ihre Aufgaben ein, erstellen Dienst- sowie Pflegepläne nach eigenen Bedürfnissen und sorgen für die Bezahlung der Hilfskräfte.
Alternativ können auch die Dienste einer Assistenzorganisation in Anspruch genommen werden, welche Persönliche AssistentInnen zur Verfügung stellt und die Aufgaben des Arbeitgebers übernimmt. Dieses indirekte Arbeitgebermodell ist für all diejenigen vorteilhaft, die auf zusätzlichen Verwaltungsaufwand verzichten möchten.
Selbstbestimmtes Leben bedeutet auch, dass AssistenznehmerInnen wesentliche Kompetenzen bei der Gestaltung ihrer Hilfe übernehmen:
Hilfebedürftige entwerfen die Assistenz nach ihren eigenen Vorstellungen. Sei es im Haushalt, bei der Arbeit oder während der Freizeit – es liegt an AssistenznehmerInnen, ihren Leistungsrahmen zeitlich, örtlich und inhaltlich zu gestalten. Ziel der Persönlichen Assistenz ist es, die Fremdbestimmung einzugrenzen und gleichzeitig die Teilhabe am Leben zu fördern.
Das Berliner Modell der Persönlichen Assistenz setzt sich aus unterschiedlichen Einsatzbereichen zusammen. Ob in den eigenen vier Wänden, bei der Arbeit, in der Schule oder während der Freizeit. Pflegebedürftige legen selbst fest, wann, wie und wo sie Unterstützung benötigen. Die konkreten Leistungsinhalte und deren Umfang werden individuell zwischen den assistenzbedürftigen Menschen, den Kostenträgern – auch trägerübergreifend – und deren Assistenten geregelt.
Der Fokus der Pflegeassistenz liegt auf der grundpflegerischen sowie der medizinischen Versorgung der AssistenznehmerInnen. Während die Lebensqualität in den eigenen vier Wänden gefördert wird, umfasst die medizinische Behandlungspflege alle Tätigkeiten, die auf ärztliche Verordnung durchgeführt werden. Darunter fällt beispielsweise die Wundversorgung, die Überwachung von Infusionen, die Medikamentengabe oder die Blutdruck- und Blutzuckermessung. Dank der Pflegeassistenz kann, in Absprache mit dem behandelnden Arzt, ein Krankenhausaufenthalt vermieden werden.
Können haushälterische Aufgaben nicht eigenständig bewältigt werden, schafft die Haushaltsassistenz Abhilfe. Die Leistungen der Haushaltsassistenz umfassen sämtliche Tätigkeiten, die in und um den Haushalt der AssistenznehmerInnen erledigt werden müssen. Sei es der tägliche Einkauf, die Begleitung bei Spaziergängen, die Instandhaltung der Wohnräume, die Kleidungswäsche und mehr. Das erbrachten Leistungen müssen nicht unbedingt Haushaltstätigkeiten sein, sondern auch eine Betreuung bei etwaiger Abwesenheit der betreuenden Angehörigen.
Die Unterstützung am Arbeitsplatz wird unter dem Überbegriff der Arbeitsassistenz zusammengefasst. Einen Rechtsanspruch auf diese Form der persönlichen Assistenz haben alle Menschen mit Behinderung, unabhängig von der Schwere der Beeinträchtigung. Das Ziel der Arbeitsassistenz ist es, die Integration in den Arbeitsalltag und die Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern. Dabei erhalten AssistenznehmerInnen Unterstützung bei Aufgaben, welche behinderungsbedingt nicht eigenständig erledigt werden können. So wird gewährleistet, dass AssistenznehmerInnen ihrer beruflichen Tätigkeit am Arbeitsplatz barrierefrei nachgehen können.
Assistenten unterstützen ihre Schützlinge während der Schulzeit, um die gleichberechtigte Teilhabe am Bildungssystem sowie der Klassengemeinschaft zu ermöglichen. Die Hilfe richtet sich nach dem individuellen Bedarf des Kindes. Sei es Hilfe bei der Mobilität, der behinderungsbedingten Pflege, der Erledigung von Unterrichtsaufgaben und weiteren lebenspraktischen Bereichen. Grundsätzlich soll der barrierefreie Zugang zum Schulalltag ermöglicht werden. Schulassistenten arbeiten eng mit den Lehrkräften zusammen, um die Integration auch aus pädagogischer Sicht optimal zu gestalten.
Zu einem selbstbestimmten Leben gehört auch die Freizeitgestaltung nach eigenen Wünschen, die durch Assistenz zur Teilhabe gefördert wird. Menschen mit Behinderung erhalten mit der Freizeitassistenz individuelle Hilfe bei ihren Hobbies, werden zu Veranstaltungen und Kulturangeboten begleitet und bei weiteren freizeitlichen Aktivitäten unterstützt. Eine weitere Form der Freizeitassistenz ist die Reiseassistenz. ReiseassistentInnen begleiten AssistenznehmerInnern im Urlaub und bei längeren Ausflügen, sodass sie unterwegs genau die Hilfe bekommen, die sie brauchen.
Die hier gelisteten Assistenzbereiche schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern geben nur einen Überblick zu den verschiedenen Leistungsmöglichkeiten.
In Deutschland kann die Persönliche Assistenz über das Persönliche Budget abgegolten werden. Hat man einen Anspruch auf Teilhabeleistungen, kann man das Persönliche Budget beim zuständigen Rehabilitationsträger beantragen. Als Alternative zu Dienst- und Sachleistungen, stellt das Persönliche Budget eine Geldleistung dar.
AssistenznehmerInnen erhalten monatlich ein bestimmtes Budget, das im Voraus mit den Leistungsträgern festgelegt wird. Mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln wird die eigene Hilfe organisiert. Im Rahmen des Arbeitgebermodells werden Assistenten eigenständig gesucht, eingestellt, eingearbeitet und bezahlt.
Während das Persönliche Budget in ganz Deutschland gilt, erhalten Berliner mit dem Leistungskomplex 32 eine weitere Alternative zur Finanzierung der Persönlichen Assistenz. Der LK 32 ist für all diejenigen angedacht, die einen Pflegebedarf von mehr als fünf Stunden täglich aufweisen und eine Pflegedürftigkeit nach SGB XI vorliegt.
Alle Pflegetätigkeiten und Teilhabeleistungen werden innerhalb eines – mit dem Kostenträger abgestimmten – Kontingents stündlich abgerechnet. Anders als beim Persönlichen Budget sind nicht die AssistenznehmerInnen direkter Arbeitgeber, sondern der zuständige Assistenzdienstleister. Weitere Informationen zur Finanzierung gibt es hier.
Bei der Organisierung Persönlicher Assistenz gibt es zwei Modelle – das direkte und das indirekte Arbeitgebermodell. Möchte man seine Assistenzhilfe durchweg selbstständig gestalten, ganz ohne fremde Hilfe, spricht man vom direkten Arbeitgebermodell. Entscheidet man sich für die Persönliche Assistenz in voller Eigenregie, tritt man in die Rolle des Arbeitgebers mit sämtlichen Rechten und Pflichten. Dabei werden alle Aufgaben und Pflichten eines Arbeitgebers übernommen, die üblicherweise ein Pflegedienst tragen würde.
AssistenznehmerInnen sind für die Anstellung per Arbeitsvertrag, das Anlernen, die Bezahlung der AssistentInnen sowie für alle damit verbundenen Organisations- und Verwaltungsaufgaben zuständig. Die Raumkompetenz, Finanzkompetenz, Personalkompetenz, Anleitungskompetenz als auch die Organisationskompetenz liegen im direkten Arbeitgebermodell gänzlich bei den AssistenznehmerInnen.
Heutzutage gibt es vielfältige Möglichkeiten, eine passende Assistenzkraft zu finden. Über Bekannte, per Annonce oder Online. Im Internet gibt es eine breite Auswahl an Job-Portalen, in denen eine Stelle ausgeschrieben werden kann. Dazu eignen sich insbesondere Webseiten, welche auf die Persönliche Assistenz spezialisiert sind.
Das direkte Arbeitgebermodell verleiht AssistenznehmerInnen weitgehende Kompetenzen, ihre Assistenz autonom zu organisieren. Jedoch geht es mit großer Verantwortung einher, die eine zusätzliche Belastung darstellen kann. Möchte man die Vorteile Persönlicher Assistenz ohne den zusätzlichen Verwaltungsaufwand genießen, eignet sich das indirekte Arbeitgebermodell besser.
Hier wird die Persönliche Assistenz mittels einer Assistenzorganisation, zum Beispiel einem ambulantem Pflegedienst, verwirklicht. Der Arbeitgeber der AssistentInnen ist in diesem Fall der zuständige Dienstleister. Während die Finanz- und Personalkompetenz teilweise von der Assistenzorganisation übernommen werden, können AssistenznehmerInnen die Art und Weise ihrer Hilfe weiterhin selbst gestalten. Da das Personal beim Dienstleister eingestellt ist, fallen auch die Arbeigeberrisiken und Verwaltungsaufgaben zum größten Teil weg.
Persönliche AssistentInnen unterstützten Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten dabei Hürden zu überbrücken, die sie selbst nicht mehr nehmen können. Ein einheitliches Berufsbild gibt es nicht, weil die Bedürfnisse von Person zu Person unterschiedlich sind.
Ob im Haushalt, bei der Arbeit oder in der Schule – AssistenznehmerInnen bestimmen selbst, wann, wo und welche Hilfe sie benötigen. Dementsprechend ist ein gewisses Maß an Flexibilität notwendig, um sich diesen individuellen Bedürfnissen anpassen zu können. Wichtig ist, dass ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen beiden Parteien aufgebaut und gepflegt wird, sodass alle Beteiligten aus dieser besonderen Beziehung profitieren können.
Um in der Persönlichen Assistenz arbeiten zu können, sind keine bestimmten Schul-, Ausbildungs- oder Studienabschlüsse notwendig. Belastbarkeit, Verantwortungsbewusststein und Empathie sind Kompetenzen, die man als AssistentIn mitbringen sollte. Alles Weitere wird von der betreuten Person selbst vermittelt, sodass alle Aufgaben nach deren Wünschen erledigt werden können. Schließlich sind AssistenznehmerInnen Experten in eigener Sache.
Für einen einfacheren Start in das Berufsleben als AssistentIn kann es trotzdem durchaus hilfreich sein, erste Erfahrungen im Pflegebereich gesammelt zu haben: sei es in der Kranken-, Altenpflege oder der Abschluss eines Pflege-Basiskurses.
Wie in vielen Berufen hängt das Gehalt vom jeweiligen Arbeitgeber ab. Im Regelfall liegt der Stundenlohn zwischen 9,50 Euro und 12,00 Euro pro Stunde. Darüber hinaus können Zuschläge für die Arbeit an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht hinzukommen.
Die Webseite „Ziemlich Beste Assistenten“ ist unter anderem für Menschen ausgelegt, die Interesse an der Berufstätigkeit in der Persönlichen Assistenz haben. Hier beschreiben AssistentInnen ihren Berufsalltag, Fragen rund um den Beruf werden geklärt und weitere Informationen zum Assistenzberuf angeboten. Sie bietet auch die Möglichkeit, sich über das Bewerbungsformular als AssistentIn zu bewerben. Unter „Stellenangebote“ können Sie sich auch hier direkt als Assistenzhilfe bewerben.
Die Persönliche Assistenz ist aus dem Einsatz verschiedener sozialer Bewegungen behinderter Menschen hervorgetreten. In der Vergangenheit hatten Menschen mit Handicap keine andere Wahl, als die vorgeschriebene Hilfe Dritter anzunehmen. Eine freie Lebensgestaltung war nicht möglich, die Teilhabe war eingeschränkt. Um das Leben in Eigenregie führen zu können und als gleichgestellte Bürger angesehen zu werden, schlossen sich Aktivisten zu Bewegungen, wie der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung, zusammen. Ausgangspunkt waren die weltweiten Bürgerrechtsbewegungen, die in den sechziger Jahren für einen Umschwung in der Gesellschaft sorgen sollten. Die Forderungen der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung lauten:
Aus diesen Grundgedanken ist in Berlin die Persönliche Assistenz entstanden, bei der behinderte Menschen die Kontrolle über die eigene Hilfe und Lebensgestaltung innehaben.
Auch Künstler machen sich für die Inklusion stark. Der Rapper Graf Fidi hat in Zusammenarbeit mit dem Berliner Pflege- und Assistenzdienst Futura den Track „Mitten im Leben leben“ aufgenommen. Darin rappt er über das Leben aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung und den gesellschaftlichen Hürden, denen sie sich stellen müssen. Denn so viel die sozialen Bewegung auch geleistet haben, ist es auch heute immer noch wichtig, Zeichen für ein Miteinander auf Augenhöhe und gegenseitiges Verständnis zu setzen.